Dass die Zoologie alles andere als eine abgeschlossene Wissenschaft ist, zeigen nicht nur die unzähligen Fachveröffentlichungen, die über Anatomie, Verhalten und Verbreitung von Tieren jedes Jahr erscheinen.
Es ist vielmehr gängiger Konsens, dass erst ein Bruchteil aller Tiere wissenschaftlich beschrieben wurde. Ob es nur noch wenige Millionen oder doch dutzende Millionen unbekannter Tierarten gibt, das ist eher eine Streitfrage. Genug jedenfalls für Generationen von zoologischen Entdeckern. Unter diesen Millionen Unbekannten warten nicht nur Insekten, Spinnen und Milben, sondern sicher noch tausende Arten von Wirbeltieren, etliche davon bestimmt von beachtlicher Größe. Dabei sind es naturgemäß vor allem die besonders scheuen oder abgelegen lebenden, die heute noch unbekannt sind. Das menschliche Wissen von der Existenz seltener oder scheuer Großtiere ist bestimmt nicht das größte, wie die einfache Tatsache aufzeigt, dass die Wissenschaft den ersten lebenden Pandabären, der heute wie selbstverständlich das chinesische Nationaltier ist, vor nicht einmal 100 Jahren erblickte. Den alten Chinesen war der Pandabär freilich als scheues, halbmythisches Wesen bekannt, von dem sie in antiken Schriften gelegentlich raunten, es zeige sich nur unter der Herrschaft eines besonders weisen und gütigen Kaisers.
So ist es mit dem “Wissen”, als gesichert kann nur gelten, was vor dem kalten Auge der reinen Wissenschaftlichkeit besteht, und nicht bloß in einem Reisebericht, sondern in einem Museum oder Zoo bestaunt werden kann. Der Weg dorthin kann ein reiner Glücksgriff sein oder er kann sich auf Vorwissen stützen, wo und wonach man suchen muss. Solches nichtwissenschaftliches Vorwissen nennt man gerne Seemannsgarn, tut es als Wichtigmacherei oder unqualifizierte Beobachtung ab. Man kann es aber, wie schon oft geschehen, als Wegmarke zu den “bekannten Unbekannten” aufgreifen wie der Missionar Armand David, der den Geschichten um den großen Panda Glauben schenkte und den ersten wissenschaftlichen Beleg in Form eines Pelzes auftat. Dabei ist es unglaublich spannend, rätselhafte Funde und Anekdoten zusammenzutragen und darüber nachzudenken und vielleicht auch ein bisschen zu spekulieren: deshalb diese Internetseite.
Liebe Leserin, lieber Leser, fühlen Sie sich herzlich eingeladen, mit auf die Pirsch nach den bekannten Unbekannten zu gehen, tauschen Sie sich mit anderen Interessierten aus und verfolgen Sie die neuesten zoologischen Entdeckungen auf kryptozoologie-online.de
Im Sommer 2001 war Nessie, das Ungeheuer im schottischen Loch Ness, wieder in den Schlagzeilen. Dieses Mal nicht, weil es gesichtet worden war, sondern weil ein Wissenschaftler eine Theorie hatte, die die Sichtungen „rational erklären“ sollte.
Der Geologe Luigi Piccardi, „ein Experte für mythische Traditionen und ihre Erklärungen“, präsentierte seine These auf einem Geologenkongress in Edinburgh. Loch Ness liegt auf einer Verwerfungslinie, dem „großen Graben“, einem gewaltigen Riss in der Erdkruste, in dem sich zwei Kontinentalplatten teilen. Nun werden – so Piccardi – bei kleineren Erdstößen Gasblasen auf dem Grund des Sees freigesetzt, die an die Oberfläche steigen und dort von Augenzeugen für die Höcker des Ungeheuers gehalten werden. Platzen die Blasen, dann entsteht ein Geräusch „wie das berühmte Brüllen des Ungeheuers“! Das letzte große Erdbeben am Loch Ness habe es 1901 gegeben, so Piccardi. Er habe nun „etwa 3000 Sichtungen“ des Ungeheuers untersucht und jede davon stünde in „engem Zusammenhang“ mit Erdstößen. (1)
Obwohl die These in den Zeitungen viel Widerhall fand, ist Piccardi nicht der erste, der an eine solche Korrelation gedacht hat. Aber, ganz gleich wie einleuchtend seine Vorstellungen klingen, sie sind falsch. Erstens gibt es nicht 3000, sondern nur 900 Sichtungen des Ungeheuers, Piccardi muss also einen fehlerhaften Datensatz besessen haben, zweitens korrelieren die etwa 900 bekannten Sichtungen von Nessie in keinerlei Weise mit den aus der Umgebung von Inverness gemeldeten Erdstößen, drittens hat noch nie jemand das Brüllen des Ungeheuers gehört, auf das Piccardi so viel Wert legt. Letztlich berichtet zwar der „Inverness Courier“ hin und wieder von Erdstößen (ich habe eine Liste dieser Ereignisse), doch die sind auf Erdrutsche am steilen Ufer des Sees zurückzuführen. Dr. Roger Musson und Hilary Heason vom British Geological Service haben die These denn auch nur Stunden, nachdem Piccardi seine Presseerklärung in die Welt gejagt hatte, als falsch zurückgewiesen, weil die Verwerfung, an der der Große Graben (Great Glen) liegt, schon lange inaktiv sei – es gebe am Loch Ness keine Erdstöße mit seismischer Ursache!
Durch viele meiner Veröffentlichungen zieht sich – ausgesprochen oder unausgesprochen – die These, dass sich für jeden See, der nur groß genug ist, auch Sichtungen von Ungeheuern finden lassen, dass das Seeungeheuer also kein biologischer, sondern ein volkskundlicher Fakt ist. Sollte das so sein, muss das Motiv „Seeungeheuer“ vergesellschaftet sein mit dem Erzähltyp Unterwasser-UFO und sich – als „reale“ Sichtung oder Schwindel – in den Erzähltypen des Riesenfischs, der Seeschlange, der Seejungfrau, des entkommenen Krokodils und des unbekannten U-Boots äußern. Michel Meurger hat in seinem grundlegenden Werk „Lake Monster Traditions“ noch hinzugefügt, dass von Ungeheuerseen generell erzählt wird, sie seien unergründlich tief und stünden unterirdisch mit anderen Seen in Verbindung: Letztendlich sei der See der Eingang zur Anders- oder Totenwelt gewesen, und die große Schlange sei nur eine Äußerung dieser Vorstellung. Ich habe als weiteres Motiv dieser Kette die „versunkene Stadt“ identifiziert.
Die ursprünglichen, mit Vorstellungen einer „anderen Welt“ zusammenhängenden mythologischen Konstrukte werden nämlich konkretisiert und somit erlebbar durch die Interpretation konventioneller Auslöser (Wellenphänomene, Boote, große Fische und schwimmende Tiere), deren Klassifikation stets vom Zeitgeist bestimmt ist (Wassergott, Drache, Riesenfisch, überlebender Saurier). Es braucht heute nur noch die richtigen Umstände und einige engagierte Personen, um aus den einzelnen Strängen dieser Erfahrungen und Traditionen ein Seeungeheuer zu etablieren. Weiß man einmal um dieses Ungeheuer, wird es leichter, in konventionellen Stimuli das Monster zu erblicken und zu erkennen.
Im Jahre 2007 veröffentlichte ich einen kurzen Vorbericht zum Ungeheuer vom Genfer See. Es war ein Versuch, diese These an einem noch unschuldigen Objekt zu testen. (Seeungeheuer im Genfer See. Der Kryptozoologe-Report 3, 2007, S. 32-36) Ich hatte Berichte aus der Region des Genfer Sees bislang kaum gesucht oder recherchiert. Sollten meine Vorstellungen aber zutreffen, müssten recht schnell die einzelnen Elemente auch für diesen See nachgewiesen werden können, so die Überlegung. Das in diesem Beitrag enthaltene Material ist das Resultat meiner damaligen, nur eintägigen Suche im Internet, ergänzt durch weitere, später zufällig aufgefundene Berichte. Hier nun die Resultate dieser erweiterten Recherche:
Der Traunsee im österreichischen Salzkammergut sollte der Traum eines jeden Kryptozoologen sein – er beherbergt mindestens drei, möglicherweise vier, Arten von Seeungeheuern, und eine davon soll sogar von Tausenden von Zeugen berichtet worden sein.
Seeweiblin und Drache
Die ersten Auskünfte über das „Ungeheuer des Traunsees“, eine Seejungfrau, verdanken wir dem Schriftsteller Otto von Graben zum Stein (* ca. 1690, Innsbruck; † ca. 1756, Potsdam). Von Graben zum Stein veröffentlichte bis 1731 in zwei Bänden das Werk „Monathliche Unterredungen von dem Reiche der Geister zwischen Andrenio und Pneumatophilo“, ein Buch über Geistererscheinungen. (Das Buch brachte ihm ein Publikationsverbot am königlich-preußischen Hof ein, mit der Begründung, er verbreite „Aberglauben und Schwärmerey“.)
Otto von Graben zum Stein schreibt, was er am Traunsee über das Seeweiblein erfahren hat: „Man hat versichern wollen, daß viele tausend Menschen das Traunerseeweiblein bald in der Mitte dieses Sees, bald bei dem Wasserfall sowohl um die Mittagsstunde als auch bei hellem Mondschein gesehen haben. Ich habe selbst mit einigen Personen geredet, auf welche selbige mit fliegenden Haaren aus dem Wasser losgekommen, daß sie vor Angst haben davon laufen müssen. Auch höret man erzählen, daß es sich zum öftern auf einem Waserdrachen reitend gezeiget habe, welcher dem Ansehen nach einem geschundenen Pferde sehr ähnlich gewesen. Jedoch glaube ich, es werde niemand demselben so nahe gekommen sein, daß er dessen Gestalt so eigentlich in Augenschein genommen. Vor Zeiten ließ sich dieses Gesicht zwar zum öftern sehen, allein von vielen Jahren her ist weiter nichts als das Seeweib zum Vorschein gekommen, daher zu vermuten, daß jenes ein natürliches Amphibium gewesen, dessen sich dieser Wassergeist in gewissen Umständen bedienet hat.“ (nach Leander Petzoldt: Sagen aus Oberösterreich. 1993, S 192)
Die Seejungfrau reitet also auf dem Drachen, den Drachen hält von Graben zum Stein für ein ganz normales Tier, die Seejungfrau aber für einen Geist. Wollen wir den Zahlen des Autors glauben, dann müssen Drachen und/oder Seeweib von ebenso vielen Leuten gesehen worden sein wie das Ungeheuer von Loch Ness!
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Januar 2004 00:00
Geschrieben von Ben Speers-Roesch
Viele betrachten den Weißen Hai (Carcharodon carcharias) als eine unter den unglaublichsten Kreaturen, die die heutigen Ozeane durchwandert. Heranwachsend zu Längen aufwärts zu 6 Metern (20 ft) und einem Gewicht von mehr als 3000 Kilogramm (7 500 Ib), ist dieser große lamnide Hai verantwortlich für gelegentliche Attacken auf Menschen. Er wurde für viele zum Inbegriff des Hais, speziell nach dem Erfolg des Films „Jaws“, der den Namen des Weißen Hais und sein zähnestarrendes Antlitz berüchtigt machte.
Wie auch immer, etwa 16 Millionen Jahre während des Miozäns1 kam ein noch größerer Hai, möglicherweise ähnlich zu C. carcharias, in den Ozeanen der Welt vor. Carcharodon (oder Charcharocles) megalodon könnte die erstaunliche Maximallänge von 15 Metern (50 ft) erreicht und so viel wie 50 Tonnen (55 tons) gewogen haben (Gottfried et. al 1996). Solche Schätzungen sind den Zähnen und den sehr raren skeletalen Komponenten des Tieres entnommen (Haie haben ein knorpeliges Skelett, dass nicht leicht fossiliert; die meisten Arten fossiler Haie sind nur durch ihre Zähnen bekannt, welche sehr haltbare Konstruktionen sind). Die traditionelle Wissenschaft hält C. megalodon für den Vorläufer des Weißen Hais, aber kürzliche Forschungen schlagen vor, dass er tatsächlich nur ein naher Verwandter war2. Autoren wie Gottfried et. al. (1996) stellen sich C. megalodon als sehr viel größere und massigere Version des Weißen Hais vor. Mit einem Maul groß genug um eine Kuh im Ganzen zu verschlingen und breiten, dreieckigen Zähnen ganz ähnlich wie die des Weißen Hais (aber bis zu 17 Zentimetern [7 inches] Höhe im Gegensatz zum Maximum von 6 Zentimeter [2 inches] bei Weißen Haien), ernährte sich C. megalodon scheinbar von primitiven Walen und anderen großen marinen Säugetieren3. Es ist möglich, dass C. megalodon in derselben verstohlenen Art und Weise jagte wie sie oftmals Weiße Haie anwenden um Robben als Beute zu machen – die Beute von unten verfolgen und dann mit hoher Geschwindigkeit aufsteigen um einen massiven, oftmals fatalen ersten Biss durchzuführen4. Vor rund 1,5 Millionen Jahren am Ende des Pliozän, verschwand C. megalodon infolge einer Vielfalt möglicher Ursachen (Applegate und Espinosa-Arrubarrena 1996), von denen einige weiter unten besprochen werden.
Trotz dem generellen Konsens unter Zoologen und Paläontologen, dass C. megalodon ausgestorben ist, wurde von verschiedenen Kryptozoologen und anderen Forschern (z. B. Stead 1963; Clark 1968; Clostermann 1969; Perry 1972; Cartmell 1978; Goss 1987; Bright 1989; Corliss 1991; Shuker 1991, 1995, 1997) vorgeschlagen, dass dieser riesige Hai in der Tiefsee oder einem anderen unzugänglichem Teil des Ozeans weiterhin existiert.