Allosaurus hat geschrieben:Das könnten die verschiedenen Rückzüchtungsunternehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr wohl beachten.
Das tun sie auch. Man ist sich darüber im Klaren, dass die Tiere genetisch divers und gesund sein müssen, sonst sind sie nicht wildnistauglich, schon gar nicht in großem Stile. Das ist doch das, was einem von vornherein einleuchtet.
Das die Leute sich nicht im Klaren darüber sind, das genetische Vielfalt eigentlich wichtig ist, dass will ich gar nicht behaupten. Aber dass sie dann auch wirklich durchdenken, was das bedeutet, und dann danach handeln, das bezweifele ich.
Das kann man vielleicht vergleichen mit den Gebrüdern Heck und dem Aussehen des Auerochsen. Die hatten das Ziel, sie züchten den Auerochsen zurück. Dann haben sie ein paar Rinderrassen miteinander verkreuzt, und haben sich dann zufrieden das Ergebnis angekuckt und gesagt: „Passt schon.“ Und vor ihnen stand ein kleines Rind mit kurzen Beinen und Hängebauch und Milchkuheuter und Hörnern sonstwohin.
So scheint mir das mit den heutigen Auerochs-Züchtern zu sein. Wenn es um genetische Vielfalt geht, dann nicken sie zwar zustimmend. Aber dann sagen sie: „Aber passt schon wie es ist!“ Und kümmern sie sich zufrieden um etwas anderes. Ob die Beine lang genug sind oder ob die Hörner die richtige Form haben. Machen also das, was die Gebrüder Heck vor 90 Jahren hätten machen sollen, und schütteln den Kopf über die. Und die Leute in 90 Jahren, die schütteln dann den Kopf über die heutigen Züchter. Und versuchen, das zu verbessern, was wir heute verbockt haben. Wenn das dann noch geht.
Der Unterschied ist: Wie Sandra sagt, haben die Brüder Heck es so gut gemacht, wie sie es damals halt wussten. Aber die Züchter heute, die könnten es besser wissen. Das Wissen über die Wichtigkeit von genetischer Vielfalt ist da. Und das Wissen über die Vielfalt der Rinderrassen auch.
Was die Zuchtziele des VFA angeht: es ist nicht so, als würden alle Heckzüchter koordiniert auf diese Ziele hinzüchten. Manche tun das, andere nicht, darum sieht das Heckrind auch so aus wie es aussieht. Fälle von Klauenpflege oder größeren medizinischen Eingriffen hat es meines Wissens noch nie gegeben, zumindest nicht in natürlicher Haltung. Das Heckrind ist eben eine gesunde und robuste Landrasse
Was die einzelnen Züchtern tun, das kann man nicht überprüfen. Es gibt keinen Zwang und es gibt ja noch nicht einmal eine Benotung der Rinder. Aber trotzdem gibt es die Zuchtziele. Und sie sind nicht überflüssig. Genauso bei der Klauenpflege. Wenn sie nie nötig ist, dann könnte man sie ja aus den Zuchtzielen weglassen. Aber es ist gut, dass sie trotzdem da ist. Denn egal, ob es um das Aussehen geht oder um die Gesundheit: Die Zuchtziele nennen einen Anspruch. Einen Anspruch an das Heckrind, wie es sein soll und was es sein soll. Und einen Anspruch an die Züchter, was sie züchten wollen und warum sie es züchten wollen. Warum sie also Heckrinder züchten, und keine Holsteinrinder oder Weißblauen Belgischen Fleischrinder.
Und egal, wie die einzelnen Züchter das handhaben: Die Zuchtziele bewirken schon etwas. Die Mitglieder vom VFA wissen, dass es sie gibt und warum es sie gibt

. Auch wenn sie sich nicht immer daran halten, sie denken doch darüber nach. Und wenn doch einmal Klauenpflege nötig ist, dann sagt sich der Züchter wohl doch eher nicht: „So eine schöne Kuh. Wär doch schade, mit der nicht weiterzuzüchten.“ Sondern die Kuh geht bei Gelegenheit zum Schlachter. Zumindest ist das wahrscheinlicher, als wenn es nicht in den Zuchtzielen stände.
Und darum mein Gedanke, dass in den Zuchtzielen nicht nur Aussehen festgelegt werden sollte und ein bisschen Robustheit erwähnt. Sondern alles was einen Auerochsen ausmacht sollte sorgfältig und deutlich in den Zuchtzielen festgelegt werden

. Also, wie ich schrieb, dass zu beachten ist (in der Reihenfolge der Wichtigkeit):
1. die genetische Vielfalt
2. Robustheit und Gesundheit
3. das auerochsenartige Äußere
(Und dabei war der VFA nur ein Beispiel. Das gilt so für alle Rückzüchter.)
Wie beim Aussehen und der Klauenpflege können sich die einzelnen Züchter dann daran halten oder auch nicht. Aber wenn es dasteht, werden sie es als Anspruch an sich sehen. Und zumindest darüber nachdenken. Und dann werden sie es vielleicht auch befolgen. Und wenn in den Zuchtzielen auch ein paar Empfehlungen stehen, wie das am Besten zu machen ist, dann werden sie es noch eher umsetzen. Und wenn es dann schon in den Zuchtzielen steht, dann kann man auch auf der Hauptversammlung Vorträge und Erfahrungsberichte darüber halten, dann kriegen es auch die mit, die eher nicht in die Zuchtziele reinschauen.
Wenn es aber nur heißt: „Ach, passt schon!“, dann geschieht da gar nichts.
Das Heckrind ist eben eine gesunde und robuste Landrasse mit einem - trotz der geringen Anfangsstückzahl der Rasse - wohl recht diversen Genpool.
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Zur genetischen Diversität des Taurusrinds hab ich mich schon geäußert. Aber wirf einen Blick nach Hortobagy, Ungarn: zusätzlich zum Heck/Taurusrind wird da mit Steppenrind, Watussi und auch ein bisschen Holstein gearbeitet.
„Geringe Anfangsstückzahl“ und „recht diverser Genpool“, das widerspricht sich. Das Heckrind wird wohl doch eher einen sehr begrenzten Genpool haben. Dass es trotzdem robust und gesund ist, das liegt an den Ausgangsrassen. Solange es eine Marke im Ohr hat und friedlich ganzjährig im Freien weiden darf, reicht das bestimmt. Aber dass das für alle Anforderungen von einem Leben in der Wildnis ausreicht, das glaube ich nicht. Jedenfalls nicht langfristig. Und auerochsenartig ist so ein kleiner Genpool jedenfalls kein bisschen.
Bei Taurus in der Lippeaue und bei Taurus in Hortobagy, da sieht es ein bisschen besser aus. Und mehr noch bei Tauros. Aber wirkliche genetische Vielfalt ist das nicht. Wie bei irgendeiner Landrinderrasse höchstens.
Von genetischer Vielfalt hat da auch niemand gesprochen, als die Ausgangsrassen ausgesucht wurden. Da ging es nur ums Aussehen. Oder, wie bei der Holsteinkreuzungskuh in Hortobagy, was halt gerade da war und gut aussah. Und danach kann man dann sagen, wenn man nach genetischer Vielfalt gefragt wird: „Jetzt sind ja ein paar Rassen mehr dabei. Wird schon ausreichen.“ Und das ist wieder genau die „Passt schon!“-Haltung.
Genetische Vielfalt ist sehr wichtig für das Überleben einer wilden Tierart. Sie war aber auch ganz einfach ein Merkmal des Auerochsen. Niemand würde behaupten, dass ein Weißblaues Belgisches Rind auerochsartig ist. Einfach wegen seines Aussehens. Aber genauso wenig ist ein Heckrind (oder Taurusrind oder Taurosrind) auerochsenartig. Einfach wegen seiner geringen genetischen Vielfalt.
Ich glaube, dass Sandra auch das meinte, als sie schrieb:
Die haupt frage die sich stellt, will man ein tier haben was nur so aussieht wie ein auerochse oder will man ein tierhaben was so aussieht und auch annäherd so ist wie der auerochse mal war...

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